Zoff bei Polit-Talk

Bürgergeld-Debatte bei "Hart aber fair": "Unfassbar polemisch"

Aktualisiert:

von Claudia Frickel

CDU-Politiker Tilman Kuban (l.) und SPD-Politiker Andreas Bovenschulte (r.) gestern bei "Hart aber fair".

Bild: WDR/Oliver Ziebe


Sind härtere Sanktionen bei Bürgergeld-Betrug richtig? "Es wird suggeriert, dass ein kleiner Prozentsatz die Mehrheit ist", schimpfte Empfängerin Sasa Zatata bei "Hart aber fair". CDU-Politiker Tilman Kuban fand dagegen, dass Leistungskürzungen "eine Frage der Gerechtigkeit sind".

Knapp 5,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen derzeit Bürgergeld. In 18.000 Fällen hat die Bundesagentur für Arbeit 2024 Empfänger:innen Leistungen gekürzt, rechnete "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth vor - weil jemand einen Job nicht annahm. Es handelte sich also um eine sehr kleine Gruppe von weniger als einem Prozent.

Das ist der Grund, warum Sasa Zatata die aktuelle Diskussion um das Bürgergeld "unfassbar polemisch" nannte. Es werde suggeriert, es wäre die Mehrheit, die Arbeitsangebote verweigert.

Zatata hat eine chronische Erkrankung und benötigt Pflege von ihrem Mann. Sie erhält Erwerbsminderungsrente, die sie mit Bürgergeld aufstockt. In der Runde erzählte sie eindringlich von ihren Ängsten sowie dem Organisationsgeschick und der Disziplin, die nötig seien, um am Ende des Monats noch etwas im Kühlschrank zu haben.

Ein paar Monate lang sei es möglich, mit dem Geld auszukommen, aber "die Probleme kommen mit der Zeit".  Sie kann nicht sparen, aber was tun, wenn Kühlschrank oder Waschmaschine kaputtgehen? Gleichzeitig hat sie das Gefühl, dass "immer mehr auf mich, auf uns herabgeschaut wird".

Das bestätigte Journalistin Anna Mayr, die in ihrem Buch "Die Elenden" die gesellschaftliche Wahrnehmung von Erwerbslosigkeit beleuchtet. "Es gibt gerade eine Kampagne gegen Bürgergeld-Empfänger."


Worum geht es beim Zoff um das Bürgergeld eigentlich?

"Das Bürgergeld soll Menschen, die erwerbsfähig und leistungsberechtigt sind, in Beschäftigung bringen und ihnen den Lebensunterhalt sichern", heißt es beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Unter den 5,5 Millionen Bürgergeld-Bezieher:innen sind 2,7 Millionen Menschen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Es handelt sich etwa um Kinder, Menschen in Ausbildung, mit schweren Krankheiten oder solche, die sich in Aus- und Weiterbildung befinden. 830.000 Personen, stocken mit dem Geld eigenes Einkommen oder andere Leistungen auf. 1,9 Millionen sind tatsächlich Erwerbslose, darunter 900.000 Langzeitarbeitslose

Mit Bürgergeld erhält alleinstehende Person derzeit 563 Euro pro Monat, dazu kommt die Miete.

In Zukunft könnte es verschärfte Regelungen geben. Union und SPD haben sich in ihrem Sondierungspapier auf eine Reform des Bürgergelds geeinigt.

Schon jetzt sind Sanktionen möglich, wenn jemand einen Job nicht annimmt, aber die Union will sie verschärfen. Die Grundsicherung soll unter bestimmten Voraussetzungen ganz gestrichen werden können - inklusive der Miete.

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Verschärfung beim Bürgergeld: Nach unten treten oder eine Frage der Gerechtigkeit?

Ist es richtig, Bürgergeld-Empfänger:innen stärker ins Visier zu nehmen, oder sollte die Politik andere Prioritäten setzen? Darum drehte sich bei "Hart aber fair" eine erbitterte Debatte - mit zwei verhärteten Fronten.

"100 Milliarden Euro gehen Deutschland jedes Jahr durch Steuerflucht verloren und 60 Millionen Euro durch Bürgergeld-Betrug", kritisierte Linken-Co-Chefin Heidi Reichinnek. "Wir können natürlich auch weiterhin nach unten treten, statt nach oben zu gucken".

Dagegen verteidigte CDU-Politiker Tilman Kuban harte Sanktionen, wenn jemand Arbeitsangebote mehrmals ablehne: Das "ist eine Frage der Gerechtigkeit". Zudem könne es nicht sein, dass jemand, "der täglich arbeiten geht, weniger bekommt, als jemand, der Bürgergeld bekommt und dann noch nebenbei schwarz arbeitet". Wie viele den Staat so hintergehen, konnte er aber nicht sagen - obwohl er die Behauptung mehrmals wiederholte.

Der Bremer SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte möchte den Schwerpunkt anders setzen: "Der Mindestlohn sollte angehoben werden, damit es sich lohnt zu arbeiten."

Das Bürgergeld ist seiner Meinung nach nicht zu hoch. Er rechnete vor, dass eine alleinstehende Person damit 50 Euro pro Woche für Lebensmittel zur Verfügung hat. "Wer sagt, dass das zu viel ist, weiß nicht, was es bedeutet, damit Essen und Trinken einzukaufen."

"Hart aber fair": Polit-Talk mit echtem Schlagabtausch

Ein aktuelles und umstrittenes Thema aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft steht immer im Mittelpunkt von "Hart aber fair". 75 Minuten lang diskutiert Louis Klamroth live mit seinen Gästen. Einspieler erklären, worum es geht und liefern Hintergründe. Zu Wort kommen in der Polit-Talkshow immer auch Bürger:innen oder Betroffene.

Dabei kommt es nicht selten zwischen den Gästen zu hitzigen Diskussionen und Wortgefechten. Überzeuge dich selbst. Bei uns kannst du live zusehen, montags um 21 Uhr.