Nachwirkungen der Oscars

Oscar-Außenseiterin Karla Sofía Gascón meldet sich nach Seitenhieben von Moderator Conan O'Brien zu Wort

Aktualisiert:

von Lars-Ole Grap
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Schauspielerin Karla Sofía Gascón steht wegen früherer Social-Media-Beiträge massiv in der Kritik.

Bild: IMAGO/CordonPress


Alte Tweets von Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón, voller Rassismus und Spitzen gegen Kolleginnen, waren vor der Preisverleihung aufgetaucht. Im Zuge dessen wurde die Oscar-Kampagne des Films gestrichen. Bei der Verleihung war sie wahrscheinlich deshalb nur spärlich zu sehen.


Hat sich die "Emilia Pérez"-Darstellerin den Oscar-Gewin ruiniert?

Der Musical-Thriller "Emilia Pérez" brach mit 13 Nominierungen einen Rekord: Kein Film, der nicht aus den USA stammt, wurde so häufig nominiert. In der Rolle eines mexikanischen Drogenbosses, der seine Geschlechtsidentität zur Frau verändert, liefert Karla Sofía Gascón eine beeindruckende Performance. Der gewagte Plot von Regie-Koryphäe Jacques Audiard wurde nicht nur in Luzern als bester europäischer Film gefeiert, sondern holte auch den Golden Globe in der Kategorie "Komödie / Musical".

Als erste Transfrau für den Oscar in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" nominiert, steht Gascón aufgrund ihrer menschenverachtenden Tweets aktuell heftig in der Kritik. Aber waren die Posts von Karla Sofía Gascón, gerade noch gefeierte Symbolfigur im Kampf gegen Diskriminierung, wirklich so schlimm? Verschiedenen Quellen zufolge soll Gascón im Netz alles und jeden angegriffen haben: die arabische und islamische Welt, die katholische Kirche, Promis wie Miley Cyrus, Adele und sogar ihre "Emilia Pérez"-Co-Darstellerin Selena Gomez. Selbst vor George Floyd, einem Todesopfer von Polizeigewalt, habe sie angeblich nicht Halt gemacht und ihn als "Junkie" bezeichnet.

Das Erste, was ich ohne Zweifel tun möchte, ist, mich bei allen Menschen zu entschuldigen, die sich durch meine Art der Ausdrucksweise möglicherweise beleidigt gefühlt haben (…) Man hat mir vorgeworfen, rassistisch zu sein, und das bin ich nicht.

Karla Sofía Gascón

Die spanische Schauspielerin ergänzte zwar, dass ihre Tweets ironisch und zum Teil aus dem Kontext gerissen worden seien. Diese Entschuldigungen und die Schließung ihres X-Accounts dürften allerdings kaum reichen, um den Schaden abzuwenden. Expert:innen sehen die Erfolgschancen des Films in Gefahr, während Organisationen wie der Rat für muslimische Öffentlichkeitsarbeit in Hollywood (MPAC) Konsequenzen fordern.

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Oscar-Favorit "Emilia Pérez" gerät ins Wanken

Auch in ihrer Heimat Spanien hagelte es scharfe Kritik. Die renommierte Zeitung "El País" kommentierte vergangenen Sonntag, sie habe "fast alle ihre Chancen und auch die des Films zu Grabe getragen". Der Filmexperte Pau Brunet ging noch weiter: "Ich bin sicher, dass der Film leer ausgeht." Ganz bewahrheitet hat sich die Vermutung jedoch nicht. "Emilia Pérez" bekam immerhin zwei von den 13 möglichen Oscar-Gewinnen.

Die Oscar Academy achtet sehr auf politische Korrektheit und Sensibilität gegenüber Minderheiten. Zwar blieb scharfe Kritik prominenter Kolleg:innen bislang aus, doch die rund 10.000 Academy-Mitglieder, die zwischen dem 11. und 18. Februar über die Gewinner:innen abgestimmt haben, wurden die Vorfälle sicher nicht ignoriert, sondern sind womöglich in die Entscheidung eingeflossen.

Gascóns Skandal könnte dadurch anderen Filmen wie beispielsweise "Anora" und "Für immer hier" in die Karten gespielt haben. In dieser Awards-Saison erntete Gascón für ihre Rolle in "Emilia Pérez" jede Menge Lob und mehrere Nominierungen vor der Kontroverse. Obwohl sie sich entschuldigte und ein Interview bei "CNN en Español" gab, zog sie sich schließlich aus der Oscar-Kampagne zurück, um dem Film Raum zu geben, als "wunderschöne Ode an Liebe und Unterschiedlichkeit" gewürdigt zu werden.

Der Film ging mit stolzen 13 Nominierungen ins Rennen. Am Ende räumte Zoë Saldaña den Oscar als "Beste Nebendarstellerin" ab für ihre Rolle als Anwältin im queeren Musical-Thriller. Eine zweite Trophäe holte sich der Film in der Kategorie "Bester Originalsong".

Karla Sofía Gascón umgeht den Red Carpet

Die Anschuldigungen sind wohl nicht spurlos an dem "Emilia Pérez"-Star vorbeigegangen. Sie war als Nominee bei den Oscars 2025, ließ jedoch den roten Teppich aus, nachdem ihre umstrittenen, wieder aufgetauchten Tweets für Wirbel sorgten. "Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich fühle, aber ich bin dankbar, zurück zu sein", verriet Gascón  gegenüber "The Hollywood Reporter", als ihre Teilnahme bekannt gegeben wurde. "Ich bin dankbar für alle, die an mich geglaubt haben - an Netflix, die Produktionsfirma und meine Kollegen. Wir können diesen schwierigen, aber wunderschönen Weg, der vor drei Jahren begann, endlich abschließen."

Auch später war sie nur spärlich während der Verleihung gezeigt worden. Selbst bei der Verkündung der besten Hauptdarstellerin hielt sie sich eher zurück. Trotz des Verzichts auf den roten Teppich und Pressegespräche blieb die Schauspielerin für Gastgeber Conan O’Brien nicht unbemerkt. In seinem Eröffnungsmonolog witzelte O’Brien: "Ich liebe Anora - sie benutzt das F-Wort 479 Mal. Das sind drei mehr als der Rekord, den der PR-Agent von Karla Sofía Gascón aufgestellt hat."

Der Oscarmoderator fuhr weiter fort: "Karla Sofía Gascón ist heute hier. Karla, falls du über die Oscars tweetest, erinnere dich: Mein Name ist Jimmy Kimmel." Vor den Oscars war Gascón auf den César-Verleihungen in Frankreich zu sehen, ihrem ersten roten Teppichauftritt seit ihrer umstrittenen Vergangenheit. Sie soll dort allerdings vehement Pressegespräche gemieden haben.

Regisseur Jacques Audiard sowie Gascóns Co-Stars Zoe Saldaña und Gomez haben sich bereits zur Kontroverse geäußert. Audiard erklärte, dass er nach den wieder aufgetauchten Kommentaren nicht mit ihr gesprochen habe und das auch nicht wolle. "Sie ist in einem selbstzerstörerischen Modus, in den ich nicht eingreifen kann. Ich verstehe nicht, warum sie weitermacht. Warum fügt sie sich selbst Schaden zu? Und warum schadet sie den Menschen, die ihr nahe standen?"

Saldaña kommentierte: "Es macht mich echt traurig, weil ich so etwas nicht unterstütze. Ich habe keine Toleranz für negative Rhetorik gegenüber irgendeiner Gruppe. Meine Erfahrung mit allen, die Teil dieses Films sind, war von Inklusivität, Zusammenarbeit und Gleichberechtigung. Es macht mich einfach traurig."

Gomez meinte, nach dem Skandal sei "ein bisschen Magie verloren gegangen", aber sie wolle trotzdem "stolz auf das sein, was ich getan habe" und "dankbar leben, ohne Bedauern".

Das sagt Karla Sofía Gascón zu den Oscars

Mit der Oscar-Verleihung geht die Award-Saison offiziell zu Ende. Trotz der Seitenhiebe von Moderator Conan O'Brien  während der Show meldet sich "Emilia Pérez"-Star Karla Sofía Gascón am Montagmorgen noch einmal zu Wort.

Während seines Eröffnungsmonologs hatte O’Brien einige witzige Bemerkungen über Gascón gemacht und auf ihre wiederentdeckten Internetbeiträge angespielt, die als rassistisch angesehen wurden und die Auszeichnungskampagne ihres Films belasteten.

Umso überraschender die Reaktion der Schauspielerin: "Danke an die Mitglieder [der Akademie] für die Nominierung als beste Hauptdarstellerin und für die Einladung zur Gala; es hat mir wirklich gefallen, es war sehr unterhaltsam und lustig [...]"

Einen kleinen Konter gegen O'Brien kann sie sich aber nicht verkneifen:

Besonders der fabelhafte Moderator Jimmy Kimmel, er ist fantastisch, er sieht jeden Tag mehr aus wie der großartige Conan O’Brien.

Karla Sofía Gascón

Eine Aussage, die natürlich auf O’Briens Monolog anspielt, in dem er scherzhaft sagte: "Karla, wenn du über die Oscars twittern möchtest, vergiss nicht, mein Name ist Jimmy Kimmel."

Zusätzlich sprach sie allen Gewinner:innen, vor allem Zoë Saldaña, die für ihre Rolle in "Emilia Pérez" als "Beste Nebendarstellerin" gekürt wurde, ihre Glückwünsche aus.

Mehr Infos zu den Oscars 2025

Karla Sofía Gascón reagiert auf Seitenhieb von Conan O'Brien